Was ist «Digital First»?
Bevor wir in diesen Beitrag eintauchen, nehmen wir erst einmal das Buzzword unter die Lupe: «Digital First». Was ist damit eigentlich gemeint? Wenn Unternehmen von «Digital First» sprechen, meinen sie, dass ihre Geschäftsprozesse, Services oder Produkte in erster Linie digital gedacht und gestaltet werden sollen. Mit anderen Worten setzen Unternehmen bei einer «Digital First»-Strategie auf digitale Betriebsmodelle und fokussieren im Rahmen aller geschäftlichen Stossrichtungen auf passende Technologien und Softwarelösungen.
Das Ziel einer «Digital First»-Strategie aus Unternehmenssicht
In der Regel verfolgen «Digital First»-Ansätze also das Ziel, Geschäftsprozesse zu vereinfachen, Marktanteile zu gewinnen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Oft ist das aber einfacher gesagt als getan – insbesondere bei komplexen Geschäftsstrategien müssen die Lösungen verschiedener Handlungsfelder miteinander integriert und Synergien geschaffen werden.
«Technology First» statt «User First»?
Besonders bei hoher Komplexität wird «Digital First» in der Realität der Transformationsprozesse schnell zu «Technology First». In diesem Fall sieht das «Digital First»-Mindset häufig so aus: Egal, ob die Technologie dem User hilft, Hauptsache die Systeme laufen. Auf diese Weise entsteht ein grosser Spagat zwischen dem Schritthalten mit neuesten Innovationen, den unternehmerischen Marktzielen und dem, was die Nutzerin oder der Nutzer eigentlich will.
Silos bei der digitalen Transformation
Know-how-Träger im IT-Bereich, welche die Integration von Systemlandschaften vorantreiben und digitale Transformationsprozesse gestalten, haben häufig wenig gemein mit Expertinnen und Experten aus dem Marketing, UX oder Digital-Experience-Bereich und umgekehrt. Plattformen und Produkte vereinen vielleicht die besten Technologien, aber Kundensicht, Zielgruppe und Marktziele sind aus dem Fokus gerückt. Das ist bei digitalen Transformationsprozessen häufiger die Regel als die Ausnahme. Und so entstehen Silos aus IT-Landschaften, die im besten Fall funktionieren – aber in den seltensten Fällen für die Kunden gemacht sind.
Das Ziel einer «Digital First»-Strategie aus Kundensicht
«Digital First» ersetzt eben nicht «User First», sondern das eine meint eigentlich das andere. Nutzerinnen und Nutzer surfen heute in bedingungsloser Freiheit durch alle digitalen Kanäle und dabei verweilen sie nirgends – und zwar für nichts und niemanden. Die Unternehmen müssen auf die Welle aufspringen und mitsurfen. Digital sein. Präsent sein. Bei den Nutzern sein. Und die Technologie muss dabei unterstützen. Das ist das wirkliche «Digital First».
«Digital First» bedeutet hohe Verfügbarkeit und Kundennähe
Unternehmen müssen lernen zu akzeptieren, dass sie selbst mit der besten Technologie keine Kundenloyalität mehr erzeugen. Stattdessen hat das Aufkommen neuer Technologien die Art und Weise revolutioniert, wie Unternehmen mit ihren Kunden interagieren (müssen) und ganz besonders umgekehrt: Wie Kunden mit Unternehmen interagieren. Kommunikative Inhalte, Dienstleistungen oder Produkte müssen jederzeit dort sein, wo der Kunde oder die Kundin diese haben will. Brandt und Henning (2002) erklären, dass Konsumenten heutzutage nie nur an einem Ort nach Antworten oder Lösungen suchen. Sie springen von einem Ort zum anderen. Und das mit voller Leidenschaft zur Illoyalität.
Erst Nutzerin und Nutzer, dann Technologie
Die «Digital First»-Strategie muss lauten: Erst Nutzerin und Nutzer, dann Technologie. Ansonsten stellen Sie sich auf Szenarien wie diese ein: Wenn Sie als Unternehmen in eine geniale App investieren, werden sie von ihren Kunden vielleicht trotzdem für eine informative Webseite kurz und schmerzlos sitzen gelassen. Leben Sie damit. Wenn Sie verstanden haben, dass die Nutzer im Zentrum sind und nicht die Technologie, werden sie es verschmerzen. Und die Kundenperspektive ihrer Strategie überdenken.
«Digital First» verändert die Kundenbeziehung
Hand aufs Herz: Wenn Sie Kundin oder Kunde sind, ist es Ihnen ehrlich gesagt egal, wie ein Unternehmen seine Systemlandschaften organisiert. Was Sie wollen, ist ein einfacher, unkomplizierter Weg zu den Informationen, die Sie brauchen. Und zwar nach Ihren Bedingungen. Kunden sind längst nicht mehr nur passive Konsumenten, sondern gestalten Märkte, Marken und Produkte aktiv mit. Der Kunde oder die Kundin, der König oder die Königin der Wellenreiter, entscheidet, wer in Zukunft mit ihm oder ihr reitet, und wer ertrinkt. Nicht (zumindest nicht in erster Linie) die Technologie. Deren Aufgabe ist schnell erklärt: Den Kunden bei jedem Touchpoint die Experience ihres Lebens zu bieten. Kundenbindung kennt keine Monogamie mehr und ist ganz sicher nicht exklusiv. Unternehmen müssen ihre Kunden nicht mit digitalen Lösungen an sich binden – sondern sie mit Digital Experience verführen. Touchpoint für Touchpoint.
«Digital First» heisst Mehrwert für die Nutzer schaffen
«Digital First» bedeutet aus dieser Perspektive heraus, dass Vermarktungsmodelle und Kanäle zu Kunden hinterfragt werden müssen. Die Frage, die dabei zu stellen ist, lautet: Wo schafft Technologie für Kunden einen Mehrwert? Und – genauso wichtig – wo tut sie es nicht? Technologie kann Nutzer nicht verführen, aber sie kann dabei helfen. Und genau das ist ihre Rolle bei der «Digital First»-Strategie. Wenn also die digitalen Initiativen Ihres Unternehmens noch wie ein Flickenteppich wirken, ist vielleicht nicht die Suche nach den besten technologischen Lösungen entscheidend, sondern die Analyse der Kunden, denen dieser Trend schlussendlich gefallen soll. Dann denken Sie bei «Digital First» immer zuerst an den Nutzer oder die Nutzerin. Und erst dann an die Technologie.