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Das Finanzsystem sorgt dafür, dass die verschiedenen Marktteilnehmer an ihr Geld kommen: Privatpersonen möchten Geld sparen oder anlegen; Unternehmen benötigen Eigen- oder Fremdkapital, um ihre Produktion auszubauen. Auch der Staat ist ein wichtiger Marktteilnehmer, sei es als Anleger oder Kreditnehmer. Wie wichtig das Vertrauen in ein funktionierendes Finanzsystem ist, zeigt sich, wenn es nicht mehr da ist. Die negativen Auswirkungen von Finanzkrisen auf die Realwirtschaft, bspw. durch den Rückgang von Investitionen, können schwerwiegend sein und es kann lange dauern, bis das Vertrauen wieder hergestellt ist. Oftmals braucht es zusätzliche vertrauensbildende Massnahmen in Form staatlicher Garantien und Krediten oder von Regulierung. Die Allokation von Geld erfolgt auf verschiedene Arten, wobei Banken und Börsen die traditionellen Kanäle darstellen. Ergänzend bieten Peer-to-Peer-Plattformen und Decentralized Finance (DeFi) vergleichsweise neuar­tigere Alternativen.

Banken und Börsen

Banken bringen Anleger (oder Kreditgeber) und Kreditnehmer zusammen und führen verschiedene Funktionen wie die Fristen- und Grössentransformation aus. Dabei werden typischerweise kurzfristige und kleine Anlagen in langfristige und grössere Kredite transformiert. Zusätzlich dienen Banken als Risikopuffer zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern. Das heisst, dass bei einem Ausfall des Kredites der Verlust bei der Bank und nicht beim Anleger liegt. Damit Banken diese Risiken tragen können, müssen sie ihre Geschäfte mit Eigenmitteln unterlegen und unterstehen spezifischen Regulierungen. Zu Problemen kommt es, wenn Anleger das Vertrauen in eine Bank verlieren und ihr Geld abheben möchten, da die Bank durch die Fristentransformation nicht fähig ist, alle Forderungen sofort zu begleichen. Diese «Bank Runs» können zu einer Kettenreaktion im Finanzsystem führen: Die Insolvenz einer Bank kann bei anderen Finanzdienstleistern zu negativen Konsequenzen führen, was sich wiederum auf andere Finanzdienstleister sowie Kundinnen und Kunden auswirkt. Diesen Dominoeffekt gilt es zu verhindern.

Auch Börsen sind wichtige Knotenpunkte im Finanzsystem. Sie bieten einen zentralen Markt, wo Geld beispielsweise in Form von Eigenkapital (Aktien) oder Fremdkapital (Obligationen) transferiert wird. Börsen ermöglichen es Anlegern, bspw. in Unternehmen zu investieren, und unterstützen so den Kapitalfluss in der Wirtschaft. Dabei findet keine eigentliche Fristen- oder Risikotransforma­tion statt. Börsen sind üblicherweise reguliert, was auf die Anleger vertrauensfördernd wirkt. Allerdings bleiben die Risiken gegenüber dem Emittenten beim Anleger. Börsen und die entsprechenden Clearing- und Settlement-Infrastrukturen werden häufig unter dem Begriff Finanzplatzinfrastruktur zusammengefasst, die ebenfalls einer speziellen Regulierung und Aufsicht untersteht.

Peer-to-Peer-Plattformen

Peer-to-Peer-Plattformen bieten eine Alternative zu traditionellen Finanzierungswegen wie Banken und Börsen, indem sie Kapitalsucher direkt mit Kapitalgebern verbinden. Sie sind für Kapitalsucher wie bspw. Firmen einfacher zugänglich als Börsen und eignen sich besonders für die Aufnahme kleinerer Beträge. Anleger können direkt investieren, ohne die Nutzung von kostenpflichtigen professionellen Brokerdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Die nicht oder weniger regulierten Peer-to-Peer-Plattformen sind volumengemessen insgesamt weniger bedeutend als die traditionellen Börsen und vor allem im Primärmarkt und weniger im Sekundärmarkt tätig.

Ähnlich wie bei Banken und Börsen ist es auch bei Peer-to-Peer-Plattformen essenziell, dass Anleger und Kreditnehmer auf die Integrität der Betreiber vertrauen können. Diese müssen gewährleisten, dass Transaktionen fair und transparent ablaufen und dass die sichere Verwahrung der Mittel sichergestellt ist.

Decentralized Finance (DeFi)

Die Verschmelzung des traditionellen Finanzwesens mit der Distributed-Ledger-Technologie (Blockchain) wird häufig unter dem Begriff «Decentralized Finance» zusammengefasst. DeFi zielt unter anderem darauf ab, traditionelle Finanzdienstleistungen ohne zentrale Vermittlungsinstanzen wie Banken, Börsen oder Peer-to-Peer-Plattformen anzubieten. Anleger und Kreditnehmer transferieren ihre Finanzmittel also direkt und selbstständig über eine Blockchain. Die angebotenen Produkte und Dienstleistungen basieren dabei auf intelligenten Verträgen, sogenannten Smart Contracts, wo definierte Regeln automatisch und autonom durchgesetzt werden. Diese Regeln werden auf der Blockchain gespeichert, was ein Paradigmenwechsel in Bezug auf das Vertrauen in entsprechende Finanztransaktionen mit sich bringt: Während im traditionellen Finanzwesen das Vertrauen in die Funktion der zentralen Institutionen wie Banken, Börsen oder Peer-to-Peer-Plattformen im Vordergrund steht, basiert das Vertrauen in DeFi-Systeme auf der Sicherheit und Transparenz der zugrunde liegenden Blockchain-Technologie.

Braucht es in Zukunft noch Banken?

Banking oder Finanzdienstleistungen als regulierte, risikotragende Intermediäre nehmen wichtige Funktionen für die Realwirtschaft ein und wird es wahrscheinlich auch in Zukunft aus folgenden zwei Gründen geben:

1. Banken, zentrale Plattformen und Märkte gab es auch in der Vergangenheit in Koexistenz. DeFi stellt eine weitere Möglichkeit zur Allokation von Finanzmitteln dar, wird die bestehenden Systeme aber wahrscheinlich nicht ablösen, sondern sie ergänzen. Durch DeFi erhalten die Anleger und Kreditnehmer für gewisse Finanzprodukte und -dienstleistungen eine Alternative zu den traditionellen Kanälen und werden basie­rend auf ihren Präferenzen und ihrem Vertrauen das entsprechende Angebot auswählen. Es sind auch nicht alle Produkte und Dienstleistungen auf allen Kanälen verfügbar.

2. Nicht alle Teilnehmer wollen und können alle ihre Finanztransaktionen selbständig auf der Blockchain durchführen und brauchen Unterstützung. Diese Unterstützung suchen sie teilweise wiederum bei Banken, die als vertrauenswürdige Intermediäre agieren und dabei sowohl traditionelle als auch Blockchain-basierte Finanzdienstleistungen anbieten können. Auch gibt es Mischformen wie zum Beispiel zentrale Börsen auf der Blockchain.

Traditionelle Finanzintermediäre werden wohl auch in Zukunft das Vertrauen von Kundinnen und Kunden geniessen. Allerdings: Es gibt eine (wachsende) Gruppe von Personen, die die Transparenz, Effizienz und Autonomie der Blockchain schätzen und der Technologie grösseres Vertrauen entgegenbringen als dem etablierten und regulierten Finanzsystem.