Der Umfang an KI-generierten Schöpfungen ist innert kurzer Zeit bereits derart gewachsen, dass die Debatte, ob es sich hier tatsächlich um einen kreativen Schaffungsprozess handelt, zum Nebenschauplatz geworden ist. Generative AI (kurz GenAI) hat gerade die Kreativbranche mitten ins Herz getroffen. Dass es ernst ist, bezeugt beispielsweise der Umstand, dass im Rahmen des Autorenstreiks in Hollywood die Regulierung des Einsatzes von KI ein zentrales Thema der Verhandlungen war.
Wem stehen die Schutzrechte von KI-generierten Werken zu?
Damit Texte und Bilder von einem KI-System generiert werden können, muss dieses mit einer grossen Menge an Daten trainiert werden. Dazu wird auch auf Datensets zurückgegriffen, die im Internet frei verfügbar sind. Exemplarisch kann hier Common Crawl erwähnt werden. Die Plattform wird von einer Non-Profit-Organisation betrieben und sammelt seit 2008 Daten, die im Internet frei verfügbar sind. Der Datensatz von Common Crawl umfasst heute bereits den Inhalt von 250 Milliarden Seiten. Monatlich kommen 3 bis 5 Milliarden Seiten aus dem Internet dazu. Dass sich darunter auch Inhalte befinden, die urheberrechtlich geschützt sind, versteht sich von selbst. Auf der Input-Ebene von KI-Systemen stellen sich also die Fragen, ob die Nutzung dieser Daten eine Urheberrechtsverletzung darstellt und wem die Schutzrechte für die KI-generierten Werke zustehen. Anders als im deutschen Urheberrechtsgesetz, in welchem Text und Data Mining in § 44b explizit geregelt ist und grundsätzlich für das maschinelle Lernen genutzt werden kann, gibt es im Schweizer Urheberrechtsgesetz keinen entsprechenden Passus. Auf der Input-Ebene muss deshalb geklärt werden, ob die Nutzung der Trainingsdaten eine unerlaubte Vervielfältigung darstellt oder nicht. Hier besteht grundsätzlich noch keine Einigkeit unter Juristinnen und Juristen. Will man auf Nummer sicher gehen, nutzt man nur Daten, die nicht urheberrechtlich geschützt sind, weil sie beispielsweise mit einer Open-Source-Lizenz publiziert wurden oder eine Zustimmung des Rechteinhabers vorliegt. Es kann durchaus kritisch hinterfragt werden, ob der Trainingsprozess und die vorübergehende, quasi beiläufige Vervielfältigung, die dabei vonstattengeht, tatsächlich als Vervielfältigung im Sinne des Urheberrechts zu klassieren sind oder ob der Gesetzgeber schlicht nicht an das maschinelle Lernen gedacht hat. Letzteres scheint zumindest wahrscheinlich. Beim Trainingsprozess findet zudem keine Verkörperung des Werkes statt und das Training per se hat auch nicht den Werkgenuss zum Ziel. Es gibt also gewisse Argumente, um den Trainingsprozess nicht als Vervielfältigung im rechtlichen Sinne zu betrachten, womit die Nutzung von veröffentlichten Werken zu Trainingszwecken keine Urheberrechtsverletzung darstellen würde. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nicht alle Rechteinhaber diese Einschätzung teilen. Damit wird es Aufgabe der Gerichte und des Gesetzgebers sein, hier in naher Zukunft die Rechtsunsicherheit zu beseitigen. In den USA hat Getty Images das Unternehmen Stability AI verklagt, weil deren Stable-Diffusion-Modell Bilder mit einem klar erkennbaren Wasserzeichen von Getty Images erzeugt. Sobald Logos in den KI-generierten Bildern erscheinen, geht die Rechtsverletzung über das Urheberrecht hinaus und umfasst auch marken- und wettbewerbsrechtliche Fragen. In der Schweiz können sich zumindest Forscherinnen und Forscher auch unabhängig von der Frage, ob das Training eines KI-Systems eine Vervielfältigung von urheberrechtlich geschütztem Material darstellt, auf die Wissenschaftsschranke von Art. 24d URG stützen. Dieser ermöglicht im Interesse der Forschung, also im nicht kommerziellen Bereich, die Nutzung von Daten und damit das Text und Data Mining.
Gestalterischer Einfluss des Menschen ist essenziell
Die Output-Ebene bezieht sich auf die Werke, welche von den KI-Systemen generiert werden. Hier spielt in Sachen Urheberrecht der gestalterische Einfluss des Menschen eine entscheidende Rolle. Bei KI-Systemen, die auf grossen Sprachmodellen basieren, lässt sich dies am Beispiel eines Fotoapparats veranschaulichen. Sofern die Technologie wie bei einem Fotoapparat als Werkzeug genutzt wird, kann beim Menschen, der das KI-System nutzt, ein Urheberrecht am KI-generierten Werk entstehen. Dabei wird berücksichtigt, dass der Prompt, also die Instruktion an das KI-System, das Ergebnis signifikant beeinflusst. Ähnlich wie bei der Fotografie können für ein fotorealistisches KI-Bild genaue Kenntnisse der Nutzerin oder des Nutzers zu Objektiv, Lichtverhältnissen, Tiefenschärfe oder auch Kameramodell in den Prompt einfliessen und das Bild gestalten. Dabei spielt auch die Reihenfolge der verwendeten Begriffe eine Rolle sowie der Umstand, dass mittels negativen Prompts unerwünschte Effekte verhindert werden können. Dadurch hat der Mensch einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis und kann als Urheber des Werkes in Betracht gezogen werden, wie Rechtsanwalt Matthias Städeli in seiner Präsentation bei der Tagung für Informatik und Recht 2023 zu Recht festhielt. Auch hier ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Gerichte und Gesetzgeber werden auch in Bezug auf die Output-Ebene die Rechtslage weiter schärfen müssen. In der Schweiz gibt es in Sachen Urheberrecht und KI-generierte Werke noch keine Gerichtsurteile. Am 21. Februar 2023 hat jedoch in den USA das U.S. Copyright Office den urheberrechtlichen Schutz für die mit einem KI-System erstellte Graphic Novel «Zarya of the Dawn» bestätigt. Schutzfähig waren gemäss Urteil jedoch nicht die Bilder, welche mit der KI-Software Midjourney entstanden sind, sondern die Anordnung der Bild- und Textelemente sowie die Texte selbst. Alles Elemente, welche von der Künstlerin Kristina Kashtanova selbst erstellt wurden und nicht von einer KI. Solche Urteile zeigen, dass je nach Rechtsfall unterschiedlich beurteilt werden kann, was als gestalterischer Einfluss der Künstlerin oder des Künstlers zu erachten ist.
Ist die Software geschützt?
Rechtsprofessor Peter Georg Picht von der Universität Zürich erwähnt in einem Interview mit der NZZ die System-Ebene als dritten Faktor. Hier findet ein Perspektivenwechsel statt. Bei der System-Ebene geht es um den Schutz des KI-Systems selbst. Dabei kann festgehalten werden, dass die Software bzw. der Code durch das Urheberrecht geschützt ist – jedoch nicht das Verfahren, welches dem Programm zugrunde liegt. Dies ermöglicht es, dass auch weitere KI-Systeme mit derselben Funktionalität, aber mit einem anderen Code programmiert werden können, ohne damit gegen das Urheberrecht zu verstossen. Ohne Zweifel werfen die jüngsten Entwicklungen im Bereich GenAI zahlreiche juristische Fragen auf, und dies nicht nur im Urheberrecht. Damit keine Rechtsunsicherheit entsteht, welche sich negativ auf das Vertrauen in die KI-Technologie und auf Investitionen in diesem wichtigen Forschungsfeld auswirkt, braucht es Regelungen. Im besten Fall widerstehen wir in der Schweiz der Versuchung, ein allumfassendes «KI-Gesetz» zu schaffen, das aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts nur scheitern kann, und konzentrieren uns auf punktuelle Anpassungen in den Rechtsbereichen, die von KI-Systemen tangiert werden. Damit schaffen wir Rechtssicherheit und ebnen den Weg für einen attraktiven Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz.