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Johs, du bist Fintech Influencer of the Year 2024. Was bedeutet dir die Auszeichnung?

Ich bin wirklich überrascht und dankbar für diese Auszeichnung. Für mich widerspiegelt diese Anerkennung den innovativen Geist der gesamten FinTech-Community in der Schweiz.

Du prägst seit über 40 Jahren die Digitalisierung der Finanzbranche. Welches waren die bedeutendsten Paradigmenwechsel, die du erlebt hast?

In den letzten 40 Jahren hat die Schnittstelle von Finanzen und Technologie mehrere bedeutende Innovationen erlebt, die grundlegend verändert haben, wie Finanzdienstleistungen erbracht werden, Märkte funktionieren und Kundinnen und Kunden mit Finanzinstitutionen interagieren. Meine Top 3:

  • Die Einführung elektronischer Handelssysteme in den 1970er und 1980er Jahren, die den traditionellen Parketthandel ersetzten. In den 1990ern folgte dann der Aufstieg des algorithmischen Handels und des Hochfrequenzhandels. Die Schweiz war mit der SIX Exchange, die 1995 live ging, führend.
  • Der Aufstieg des Internets in den 1990er Jahren und die Entwicklung von mobilen Endgeräten in den 2000er Jahren veränderte, wie Kundinnen und Kunden ihre Finanzen verwalten und Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen. Digitale Zahlungen wie PayPal im Jahr 1998 revolutionierten die Abwicklung von Transaktionen. In der Schweiz startete E-Banking 1997, 2006 führte die UBS das erste Mobile Banking ein.
  • Das Aufkommen von Kryptowährungen wie Bitcoin 2008 und Ethereum führte zu einer neuen Anlageklasse und einer neuen Denkweise über Geld und Finanztransaktionen. Auch hier war die Schweiz mit der 2018 gegründeten ersten Digital-Asset-Bank Sygnum Bank an der Spitze.

«Die E-ID wird medienbruchfreie Prozesse erleichtern und einen positiven Effekt auf die öffentliche Verwaltung, Banken und andere Firmen haben.»

– Johannes Hoehener

Welche Komponenten vermisst du im Schweizer Fintech-Markt?

Ich habe eine lange Liste von Wünschen, von der Balance zwischen Regulierung und Flexibilität bis hin zur Verbesserung des Zugangs zum Kapitalmarkt. Meine drei grössten FinTech-Wünsche wären:

  • Eine zügige Implementierung einer standardisierten elektronische Identität (E-ID), um die «Know Your Customer»-Prozesse (KYC) zu vereinfachen und SSI-basierte Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen. Eine staatlich anerkannte E-ID ermöglicht es der Bevölkerung, ihre Identität online nachzuweisen. Dies erleichtert medienbruchfreie Prozesse für die Verwaltung und für Unternehmen. Auch für die Banken wird die E-ID eine schnellere und effizientere Kundenidentifikation ermöglichen.
  • Verbesserung der ESG-Datentransparenz: Die Schaffung standardisierter, vertrauenswürdiger Quellen für ESG-Daten wird Investoren helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und nachhaltige Finanzinitiativen zu unterstützen.
  • Förderung der Integration von FinTech in die bestehende Bankeninfrastruktur. Dazu gehört die Unterstützung von Open-Banking- und Embedded-Banking-Initiativen, die den sicheren Datenaustausch zwischen Banken und Drittanbietern ermöglichen.

Und ein weiterer Wunsch: Wir sollten die positive Wirkung der Fintech-Branche und ihre Verdienste lauter loben. Andere Länder wie Singapur mögen im Rampenlicht stehen – unsere Stärke liegt in der Umsetzung. Wir könnten unsere Umsetzungsstärken besser hervorheben.
 

Du hast eine zentrale Rolle beim Aufbau des Fintech-Clusters der Swisscom und von e-research, einem Kompetenzzentrum für E-Commerce der Kantonalbanken, gespielt. Daneben bist du Advisor bei Swiss Stablecoin, Verwaltungsrat bei der esisuisse, go4Balance AG und anderen Fintech-Unternehmen. Seit drei Jahren bist du Verwaltungsrat bei uns. Neben der Weiterentwicklung unserer Bankinglösungen betreust du auch die Förderung von Mitarbeitenden. Welche Initiativen treiben dich im Moment bei ti&m um?

Bei ti&m fokussiere ich mich derzeit auf mehrere Schlüsselinitiativen. Wir arbeiten intensiv an der Integration fortschrittlicher Technologien wie KI und Distributed Ledger, um unsere Bankinglösungen zu verbessern und zu erweitern. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Weiterentwicklung unserer Online-Identifikationslösung. So nutzt beispielsweise Swisscom ti&m Online Identification für Swisscom Sign, um digitale Signaturen für die ganze Bevölkerung einfach verfügbar zu machen. Mit grosser Freude unterstütze ich auch den Ausbau unserer Niederlassung in Singapur. Ganz besonders schätze ich den Austausch mit den über 600 Mitarbeitenden von ti&m. ti&m fördert eine Kultur der Zusammenarbeit und Innovation, in der sich alle Mitarbeitenden geschätzt und unterstützt fühlen – das finde ich einfach grossartig!

Welche Rolle werden Technologiepartner wie ti&m bei der Transformation der Finanzbranche in den nächsten Jahren spielen?

Die Innovationskraft der Banken wird massgeblich durch technologische Entwicklungen getrieben. Viele der bedeutendsten Neuerungen im Bankensektor wie Mobile Banking Apps, digitale Währungen, Tokenisierung, automatisierte Beratungsdienste und Cybersecurity sind direkte Ergebnisse technologischer Fortschritte. Ohne diese externen Innovationen könnten Banken nicht mit den Erwartungen und Anforderungen der Kunden Schritt halten. Technologiepartner wie ti&m ermöglichen es Finanzinstituten, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren, indem sie innovative Technologien und massgeschneiderte Lösungen bereitstellen.

«Technologiepartner wie ti&m ermöglichen es Finanzinstituten, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren, indem sie innovative Technologien und massgeschneiderte Lösungen bereitstellen.»

– Johannes Hoehener

Wo siehst du die grössten Herausforderungen der digitalen Finanzwelt?

Was wir einsehen müssen, ist, dass wir mit den klassischen Instrumenten und auf den bisherigen Ebenen die neue digitale Finanzwelt und ihre Risiken kaum in den Griff bekommen. Es ist ein Lernprozess, denn es ist noch nicht abzusehen, wohin die Entwicklung läuft. Wird das Finanzsystem einfach nur effizienter und komfortabler für die Kundinnen und Kunden? Oder verändert die Digitalisierung den Kern des Bankgeschäfts und führt uns in eine Welt, in der klassische Intermediäre keine Rolle mehr spielen? Von heute aus betrachtet sind diese Fragen kaum zu beantworten. Eine aktive, partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Banken und innovativen, agilen Technologiepartnern wie ti&m leistet einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Finanzindustrie.